Interview mit Matthias Jesenko
Matthias Jesenko ist Garnelenzüchter, Aquascaper und Besitzer von Garnelaxia.at. In seinen spannenden Antworten gibt er einige wichtige Tipps rund um’s Thema Garnelen.
AE: Hallo Matthias, danke für deine Zeit. Erzähle uns doch zu Beginn ein bisschen über dich. Bei dir ist die Aquaristik ja auch dein Beruf – wie war dein Weg bis zum eigenen Shop?
Matthias: Hallo Thomas. Die Zeit nehme ich mir gerne ☺
Begonnen hat die Leidenschaft für die Aquaristik schon in frühester Kindheit (Volkschulalter). Nach längerem Betteln kam mein Papa eines Abends mit einem 54 Liter Standardset nachhause. Leider wurde er im „Zoofachhandel“ nicht gut beraten, denn die Fische wurden gleich mit dem Aquarium mitverkauft. So musste ich recht schnell Niederlagen einstecken, die aber keineswegs zum Aufgeben des Hobbys führten. Anfangs eignete ich mir mein Wissen mithilfe von Büchern an, später hauptsächlich über diverse Foren. Als Schüler flossen, für die damaligen Verhältnisse, sehr viel Zeit und Geld in das Hobby. Aber richtig exzessiv konnte ich die Aquaristik erst in meiner eigenen Wohnung ausüben. Kurzerhand wurde ein großer Bereich meines Wohnzimmers in eine wunderschöne Aquarienlandschaft mit Landteil und Sumpfpflanzen verwandelt. Im Endeffekt hatte ich 10 Aquarien in einer 45 m² Wohnung. Und als meine Freundin meinte, sie bräuchte auch etwas Platz, wurde www.garnelaxia.at gegründet.
Anfangs sollte Garnelaxia nur ein Hobby und ein kleines Zubrot neben dem Studium sein. Nach einigen Jahren merkte ich aber, dass Garnelaxia genau das ist, was ich schon immer machen wollte. So wurde das Hobby zum Beruf.
AE: Welchen Stellenwert hat bei dir die Gestaltung eines Aquariums im Vergleich zu praktischen Aspekten wie dem, dass man die darin lebenden Tiere gut sehen und pflegen kann? Wie sieht bei dir ein ideales Garnelenaquarium aus?
Matthias: Als Leidenschaftlicher Tierhalter und Aquascaper sind mir beide Aspekte gleich wichtig. Ich unterscheide stark zwischen Zuchtaquarien und Schauaquarien. In den Zuchtaquarien wird die Einrichtung passend zu den Tieren ausgesucht. In den Schauaquarien werden die Tiere passend zur Unterwasserlandschaft gewählt.
Garnelen sind, was die Einrichtung betrifft, nicht wählerisch. Generell verzichte ich auf Plastikdekoration im Aquarium. Moose, Laub, Holzwurzeln und Mineralsteine sollten in keinem Garnelenaquarium fehlen. Tonröhrchen kann man verwenden wenn man möchte, sind jedoch absolut kein Muss. Nach der Häutung reicht den Tieren auch ein Laubblatt zum Verstecken.
AE: Die Auswahl an Garnelenarten ist mittlerweile so groß, dass es schwierig ist, einen Überblick zu behalten und letztendlich eine Entscheidung zu treffen, welche Art man pflegen möchte. Was empfiehlst du Einsteigern in die Garnelenhaltung? Ist es sinnvoll, sich frei eine Garnelenart auszusuchen, die einem gefällt und dann dafür zu sorgen, dass die Bedingungen im Aquarium zu dieser Art passen? Ist eine Anpassung der Wasserwerte so einfach, dass es Einsteiger bewerkstelligen können? Oder ist es besser zu schauen, welche Wasserwerte vorhanden sind und danach eine passende Garnelenart auszuwählen?
Matthias: Ich finde, diese Frage sollte jeder für sich selbst entscheiden. Wenn man möglichst wenig Aufwand haben möchte, rate ich generell zu Amanogarnelen oder Neocaridina-Arten. Diese kommen, soweit ich weiß, mit jedem Leitungswasser aus Österreich zurecht.
Jedoch ist die Verwendung von Osmosewasser echt keine Hexerei. Wenn das Interesse groß genug ist, rate ich auch Anfängern zu Bienengarnelen, Taiwan Bees, Tigergarnelen & Co. Wenn man ihnen das richtige Wasser bietet, sind diese wunderschönen Garnelenarten wirklich nicht schwer zu halten.
AE: Was empfiehlst du Garnelenfans wie mir selbst, die schon etwas Erfahrung – zum Beispiel mit Red Fire Garnelen – gesammelt haben? Es läuft gut, die Tiere vermehren sich laufend und jetzt frage ich mich: Was wäre ein guter, nächster Schritt?
Matthias: Der nächste Schritt sind die wunderschönen Caridina Arten (Bienengarnele, Hummelgarnele, Taiwan Bee, Pinto, Tigergarnele, usw…).
Neues Aquarium mit Soil, Osmoseanlage, Leitwertmessgerät und Aufhärtesalz besorgen. Am besten vorher von einer/einem Fachfrau/Fachmann beraten lassen (Gerne helfen wir weiter).
AE: Was sind die Ursachen, wenn es mit der Garnelenhaltung einfach nicht klappen will? Gibt es häufige Anfängerfehler, die vermeidbar sind?
Matthias: Da gibt es viele Gründe, die wir fast täglich hören:
- Schadstoffe aus den Topfpflanzen. Ich empfehle ausschließlich InVitro – Pflanzen (laborgezogene Aquarienpflanzen) zu verwenden, damit man sich kein Ungeziefer oder Schadstoffe einschleppt.
- Nicht ausreichend eingefahrene Aquarien. Ich empfehle, 4 Woche mit dem Besetzen zu warten.
- Unzureichende Hygiene in Nano Aquarien. Die Hand hat im Nanoaquarium nichts verloren. Unbedingt Aquarienpinzetten verwenden.
- Keinen Kübel für den Wasserwechsel verwenden, in dem schon jemals Putzmittel enthalten war
- Achtung, nicht alle Aquarienwurzeln sind für Garnelen geeignet. Bedenkenlos ist z.B. Moorkienholz, Mangrove, Driftwood, Talawaholz, Spiderwood
- Entkalkungsanlagen im Haus können zu Probleme führen. Hier unbedingt eine Osmoseanlage vorschalten
- Keine kranken Garnelen kaufen. Leider werden oft sehr schwächliche und alte Importtiere angeboten. Auch wenn die Tiere noch nicht so schön sind, Jungtiere sind wesentlich stabiler beim Umsetzen
- Tiere (Katze, Hund) sollten nicht aus dem Aquarium trinken!
- Flohmittel ist der absolute Garnelentot. Haarsprays nicht in der Nähe vom Aquarium verwenden
- Das Mischen von verschiedenen Garnelenstämmen (auch derselben Art) kann zu Problemen führen. In seltenen Fällen werden die Bakterien des anderen Stamms nicht vertragen. Hier gibt es sehr gute Bakterienmittel auf dem Markt, die das Zusammensetzen erleichtern.
- Zu große Wasserbelastung durch zu viel Futter (Häufiger Anfängerfehler)
- Manche Plastikdekoration oder Farbkies kann tödlich für Garnelen sein.
- Vor allem bei Verwendung von Soil (aktiver Bodengrund) sollte man nicht zu große Wasserwechsel durchführen, da die Wasserschwankungen zu groß wären.
- Hitze: Gerade im Sommer einen Aquariumkühler verwenden. Dabei das verdunstete Wasser nachfüllen.
AE: Userfrage von Wolfgang: Ich habe schon oft gelesen, dass man Garnelen Futter mit einfachen Zutaten aus dem Haushalt herstellen kann. Oder aus selbst gesammelten Blättern. Ist das für die Garnelen gut oder ist gekauftes Futter wie etwa Dennerle Shrimpking oder Genchem Produkte in Wirklichkeit viel besser geeignet?
Matthias: Lieber Wolfgang. Es gibt sehr viele Anleitungen für gutes Zusatzfutter. Allerdings würde ich nicht zu allem raten, was man so im Internet liest. Z.B. gehören weder Obst noch Nudeln ins Garnelenaquarium, da diese das Wasser stark belasten können. Gut geeignet sind: Bio Spinat, Bio Mangold, Löwenzahn, Brennnessel, Walnusslaub, Buchenlaub, Eichenlaub, Erlenzapfen, Edelkastanienlaub, Hokkaido Kürbis. Das Laub sollte meiner Meinung nach ausschließlich im Herbst direkt von den Bäumen gesammelt werden, knapp bevor es abfällt. Denn am Boden wird das Laub innerhalb kürzester Zeit von unzähligen Bakterien und Pilzen befallen.
Diese gut geeigneten Zusatzfutter – Arten sind aber, wie der Name schon verrät, ein Zusatzfutter. Zumindest 1 bis 2 Mal wöchentlich rate ich zu einem hochwertigen Hauptfutter, das auch tierische Bestandteile enthält. Schließlich sind unsere Garnelen Allesfresser.
AE: Frage an den Shopbetreiber: Es gibt unheimlich viele verschiedene Futtermittel und Zusätze für die Garnelenhaltung. Ich denke da an spezielle Mineralsteine oder -pulver, Blätter von exotischen Pflanzen, usw. Was ich mich dabei immer frage: Was davon brauche ich für eine „normale“ Garnelenhaltung tatsächlich?
Matthias: Folgende Grundversorgung muss meiner Meinung nach sein:
1x Hauptfutter, 1x Zusatzfutter, 1x Mineralien in Puvlerform, 1x Laub (Seemandelbaumblätter) Mehr Abwechslung führt jedoch eher zum Erfolg, vor allem wenn es um die Vermehrung und Farbenpracht der Tiere geht.
AE: Du hast jahrelange Erfahrung in der Garnelenzucht. Erzähle uns von einem deiner aktuellen Zucht Projekte. Welche Art hat es dir momentan besonders angetan? Wie gehst du an die Aufgabe heran, eine neue Art zu züchten? Hast du ein Patentrezept was Bodengrund, Wasser, Pflege und Fütterung betrifft oder erarbeitest du dir das jedes mal auf’s neue?
Matthias: Naja, alles möchte ich noch nicht verraten ☺, aber besonders stolz bin ich auf meine Kreuzung zwischen einer Paracaridina und Caridina Art. Ich muss jedoch zugeben, dass der Erfolg eher durch Zufall passierte! Die Nachkommen sind zwar nicht so farbenprächtig, sind jedoch reinerbig und haben großes Potential zum Heranzüchten neuer Arten und Farbformen. Die Tiere des aktuellen Kreuzungsversuchs dürften auch farblich ein Hingucker werden. Noch sind sie aber zu klein, um dies sicher sagen zu können ☺
Was die Pflege betrifft, habe ich schon viel probiert. Mittlerweile funktioniert alles so gut, dass ich nur ungern Änderungen vornehme. Insgesamt verwende ich 3 Wasserarten für meine Garnelen: Bienenwasser (200 µs), Tigerwasser (300 µs) und Neocaridina-Wasser (450 µs).
AE: Was würdest du einem erfahrenen Garnelenfan empfehlen, der als Hobby eine kleine Garnelenzucht starten möchte? Was braucht man – abgesehen vom nötigen Wissen – mindestens an Aquarien und eventuell an Technik damit man Garnelen nicht nur vermehren, sondern richtig züchten kann?
Matthias: Mehr Aquarien können es immer sein. Gerade wenn man möglichst viele Garnelenarten sammeln möchte. Ich habe an die 200 Aquarien am Laufen, und es reicht immer noch nicht, um alle Arten zu pflegen. Denn für manche Zuchtformen benötigt man gleich 3 bis 4 Aquarien um die Tiere erfolgreich zu selektieren.
Als Filterung in der Zuchtanlage haben sich bei mir luftbetriebene Hamburger Mattenfilter am besten bewährt.
AE: Die letzte Frage ist immer dazu gedacht, die Leser von aquariumeinrichten.com zu motivieren etwas in ihren Aquarien zu verbessern oder etwas neues zu versuchen. Was ist für dich der wichtigste Tipp für alle, die ihr erstes Garnelenaquarium einrichten wollen, damit es am Ende auch klappt?
Matthias: Mein Tipp wäre, sich vor dem Kauf gut zu informieren. Am besten in Foren, bei Züchtern und in kompetenten Fachgeschäften. Bei Tieren rate ich davon ab, nur auf das Geld zu schauen. Lieber ein paar € mehr für stabile Nachzuchten ausgeben und nicht die günstigsten Importtiere im Internet bestellen. Sonst ist alles schnell umsonst.
Vor allem ist es auch wichtig, sich Zeit zu lassen. Nichts überstürzen und lieber länger warten, als Fehler auf Kosten der Tiere zu begehen.
Vielen Dank für das Lesen des Interviews ☺
AE: Ich hoffe, dass dieses Interview interessant für euch war und nicht vergessen: Website von Matthias besuchen: www.garnelaxia.at 🙂
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